Gehörschaden: Wie bitte? (Quelle SUVA)
9. Oktober 2019
Jörg Rothweiler, SUVA
Ohr- und Gehörschäden sind mit 39 Prozent aller Fälle die am häufigsten anerkannten Berufskrankheiten. Wirksamer Lärmschutz ist daher unerlässlich – ab dem ersten Berufstag, konsequent, richtig und dauerhaft.
Das menschliche Gehör ist schnell, empfindsam, selektiv und präzise. Das nur erbsengrosse Innenohr befähigt uns, Frequenzen von 16 bis 20000 Hertz zu unterscheiden und feinste Geräusche wie das Trippeln einer Maus wahrzunehmen. Zudem ermöglicht es exakte Orientierung im Raum – auch im Dunkeln. Das Gehör dient der Verständigung, warnt uns vor Gefahr, löst Reflexe aus und weckt emotionales Empfinden. Etwa, wenn wir feinste Sprachnuancierungen und damit Lügen, Angst, Traurigkeit oder Zuneigung erkennen.
Sensibel und verletzlich
Die Leistungsfähigkeit macht das Gehör sehr verletzlich. Akute Lärmeinwirkung wie der Schuss einer Pistole oder der Knall eines Airbags sowie chronische Schallexposition über 85 dB(A) schädigen die Haarzellen des Innenohrs und/oder die Enden der Hörnerv-fasern – und es kommt zu Hörverlust, Hörstörungen (z.B. Tinnitus) oder Hörsturz. Das Heimtückische dabei: Lärmschwerhörigkeit kennt keine Schmerzwarnung, beginnt bei höheren Frequenzen um 4 kHz, ist irreversibel – und wird erst nach Jahrzehnten bemerkt. Der Grund: Zwar erreicht ein Lärmhörschaden bereits in den ersten zehn Jahren drei Viertel seines Endwerts. Doch der dabei erlittene Hörverlust tritt erst in Kombination mit der natürlichen altersbedingten Hörminderung, die langsam beginnt und stetig zunimmt, zutage.
5 Tipps zu Lärm- und Gehörschutz
Vermeiden: Lärm vermeiden oder reduzieren durch leisere Maschinen und Geräte sowie lärmarme Methoden.
Reduzieren: Schallausbreitung durch bauliche und raumakustische Massnahmen reduzieren.
Schützen: Menschen durch arbeitsorganisatorische Massnahmen und/oder Gehörschutzmittel vor Lärm schützen.
Schonen: Treten Ohrgeräusche oder ein unangenehmes Gefühl im Ohr auf: 12 bis 24 Stunden an einem ruhigen Ort ausruhen. Verschwinden die Beschwerden nicht, einen Arzt aufsuchen.
Im Notfall: Bei plötzlicher einoder beidseitiger Schwerhörigkeit (Hörsturz) oder wenn nach einem akuten, sehr lauten Ereignis die Ohren taub sind oder schmerzen, unverzüglich einen Arzt aufsuchen.
Für Gehörschutz ist es nie zu früh
Eine lärmbedingte Hörschädigung wird daher meist erst im Alter von 60 bis 70 Jahren auffällig. Der Lärmhörschaden wirkt sich etwa wie eine zusätzliche Alterung des Gehörs um 10 bis 20 Jahre aus. Daher ist es wichtig, das Gehör vom Berufsstart an konsequent, richtig und ständig zu schützen. Laut Schätzungen der Suva sind rund 200 000 Menschen in der Schweiz im Beruf einer Lärmbelastung über dem Arbeitsplatzgrenzwert von 85 dB(A) ausgesetzt. Sie alle müssen ihr Gehör zwingend schützen – nicht alle tun dies auch. Das Resultat: Mit jährlich mehr als 800 Fällen neu anerkannter Berufslärmschäden (nebst unfallbedingten Hörminderungen) ist die Gehörschädigung bis heute die häufigste Berufskrankheit.
Lärmschutz hat drei Prioritäten
Wirkungsvoller Lärm- und Gehörschutz ist entsprechend wichtig. Zuallererst sollte Lärm natürlich vermieden werden, etwa durch leisere Geräte, Kapselung von Maschinen oder lärmarme Verfahren. Zweitens sollte die Schallausbreitung mittels baulicher und raumakustischer Massnahmen (getrennte Räume für laute und leise Arbeiten, Schallschutzdecken) gesenkt werden. Genügt all dies nicht, um eine Lärmexposition über 85 dB(A) zu vermeiden, sind arbeitsorganisatorische Massnahmen und Gehörschutz die einzigen verbleibenden Mittel.
Gehörschutz: adäquat, konsequent, korrekt
Für die Wahl von Gehörschutzmitteln entscheidend sind Tragekomfort, Eignung für die Tätigkeit und Dämmwirkung. Letztere sollte abhängig von der individuellen Schallbelastung erfolgen, um ausreichenden Schutz, aber zugleich auch eine möglichst geringe Abschottung (Sprache, Warnsignale usw.) zu erreichen. Wichtig ist, dass der Gehörschutz korrekt angewendet wird. Werden Gehörschutzpfropfen zu wenig tief in den Gehörgang eingeführt, sinkt ihre Dämmwirkung um 5 bis 10 dB. Wird der Gehörschutz nur zeitweise getragen, erreicht die Belastung rasch einen gefährlichen Pegel – es droht ein Lärmhörschaden